(Veröffentlicht in GralsWelt Themenheft 5/2000)
Mit dem Begriff „Energie“ verknüpft sich auch die Frage nach dem Schicksal des Universums. Unserem heutigen physikalischen Weltbild zufolge ist das Ende des Alls unausweichlich: Entweder es „stirbt“ den sogenannten „entropischen Wärmetod“ oder es beginnt sich irgendwann wieder zusammenzuziehen, wobei sich auch der „Zeitpfeil“ umkehren, die Zeit also rückwärts laufen könnte.[i]
Wie kam es zu den derzeit gängigen weltanschaulichen Vorstellungen und ist unser All wirklich ein „abgeschlossenes System“? Religiöse Offenbarungen und auch die Kunde vom „Gral“ lassen vermuten, dass physikalisch nicht fassbare Energien wesentlichen Anteil am Weltgeschehen haben.
Seit Menschen über sich und die Welt nachdenken, beschäftigt sie auch der Begriff der Zeit.
In der Antike beobachtete man den Lauf der Gestirne, den Wechsel von Tag und Nacht und den Zyklus der Jahreszeiten. Daraus entstand die Vorstellung von der fortlaufenden Wiederkehr des Gleichen. Hineingestellt in diesen immerwährenden Wechsel war der Mensch, dessen Leben sehr kurz scheint.
Diese Lücke schloss die Lehre von der Reinkarnation, die nicht nur seit mindestens 500 v. Chr. in Indien, sondern auch von Platon (427-347 v.Chr.) und Aristoteles (384-322 v.Chr.) in Griechenland vertreten wurde. Diese konnte den Menschen mit seinem zeitlich begrenzten irdischen Leben versöhnen, indem sie weitere Existenzen auf Erden und im Jenseits postulierte.
Einen anderen Ansatz lieferte die Bibel. In der Genesis (dem erst en Buch Mose) beginnt alles mit einem Schöpferakt, hat also einen Anfang. Und wo es einen Anfang gibt, da ist nach aller menschlichen Erfahrung auch ein Ende zu erwarten. Dies ist ein Thema, das alttestamentliche Propheten beschäftigt, in den Evangelien breiten Raum einnimmt und seinen eindeutigen Ausdruck im letzten Buch des Neuen Testamentes, der Apokalypse des Johannes, findet.
Vom Ende der Zeit
Die Betrachtungen zum „Ende der Zeit“ blieben Vermutungen, ergaben religiöse Lehren oder philosophische Spekulationen. Beobachtbare Tatsache blieb indes der ständige Wechsel:
„Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ (1. Mose, 8, 22).
Auch die Wissenschaft der Neuzeit wusste zunächst wenig zum Rätsel der Zeit beizutragen, die sich ja allein aus der Verschiedenheit der aufeinanderfolgenden Augenblicke ergibt und daraus ermitteln lässt.
Isaak Newton (1643-1727) arbeitete mit einem abstrakten Zeitbegriff, mit dem die Physiker bis ins 20. Jahrhundert zurechtkamen:
„Die absolute, wahre und mathematische Zeit verfließt an sich und vermöge ihrer Natur gleichförmig und ohne Beziehung auf irgendeinen äußeren Gegenstand.“
Doch warum die Zeit nur in einer Richtung läuft, warum die Vergangenheit mit keinem Mittel wiederherzustellen ist, konnte auch der große Newton nicht sagen.
Thermodynamik und „Energieerhaltung“
Im Zeitalter der Romantik kam ab 1865 von unerwarteter Seite überraschend ein ganz neuer Beitrag zum Verständnis der Zeit: Das Neue kam von der Thermodynamik, die sich mit der Wärme als Energieform befasst, und zunächst dem Anschein nach wenig mit dem philosophischen Zeitverständnis zu tun hat.
In dieser Wärmelehre gibt es zwei grundlegende Aussagen, die man den ersten und zweiten „Hauptsatz der Thermodynamik“ nennt.
Der „Erste Hauptsatz der Thermodynamik“ lautet: „Wärme ist eine Energieform. Sie kann aus mechanischer Arbeit erzeugt und in mechanische Arbeit umgewandelt werden.“
Daraus folgt, dass die Wärmeenergie weder unmittelbar aus dem „Nichts“ entstehen, noch ins „Nichts“ verschwinden kann, sondern als Energie erkannt wurde. Zum Beispiel geht ein Teil der Sonnenmaterie in Energie über, wenn die Sonne bei ihrer Kernfusion ihre unvorstellbaren Energien ins All abstrahlt.
Die Energieerzeugung aus dem Nichts – meist Perpetuum mobile genannt – erscheint dagegen unmöglich. Allenfalls wäre die Entdeckung bisher unbekannter Energiequellen denkbar. –
Der „Zweite Hauptsatz der Thermodynamik“ lautet: „Wärme kann nur von einem Körper höherer Temperatur auf einen Körper niedrigerer Temperatur übergehen, jedoch nicht umgekehrt.“
Mit diesem zweiten Hauptsatz erhalten wir eine Rangordnung der Energien. Man kann ihm ja entnehmen, dass eine Wärmemenge bei höherer Temperatur größeren Wert hat als dieselbe Wärmemenge bei niedrigerer Temperatur. Ebenso bekommen verschiedene Energiearten unterschiedliche Wertigkeit, da man die „höhere“ Energieform verlustfrei in eine niedrigere Energieform umwandeln kann, der umgekehrte Weg jedoch versperrt ist.
So wird mechanische Energie durch Reibung zu Wärme. Diese Reibungswärme lässt sich aber nicht mehr verlustfrei in mechanische Energie zurück verwandeln, denn aus der „geordneten Bewegung“ der mechanischen Energie ist Wärme, ein „ungeordnetes Molekülgewackel“ geworden, das sich nicht einfach wieder ordnen lässt. Ein praktisches Beispiel liefert jedes Auto: Beim Bremsen wird die mechanische Energie der Bewegung in Wärme umgesetzt (die Bremsen werden heiß!). Diese Wärme lässt sich anschließend nicht wieder zum Beschleunigen des Fahrzeuges einsetzen.
Die beiden Hauptsätze der Thermodynamik sind übrigens Erfahrungssätze, die nur für „abgeschlossene Systeme“ gelten und sich nicht beweisen lassen. Es gibt daher immer wieder Zweifel an ihrer universellen Gültigkeit, und bis heute werden Erfindungen vorgetragen, die gegen diese Hauptsätze verstoßen und daher auch nicht als patenfähig gelten.
Da sich Wissenschaftler nicht mit solchen Ideen beschäftigen, werden sie in der Regel auch nicht genauer durchgeprüft, was Erfinder gelegentlich zur Verzweiflung treiben kann.
Entropie und „Wärmetod“
Um nun einen Namen und ein Maß für diese bei jeder Energieumwandlung auftretenden Verluste zu finden – für diese “Unordnung“, die nach physikalischer Auffassung laufend zunehmen muss –, wurde der Begriff “Entropie“ eingeführt. Es handelt sich um eine nur mathematisch zu beschreibende Größe, die nicht direkt gemessen werden kann und die auch dem Verständnis nicht sofort zugänglich ist.
Eine humoristische Erklärung für diesen Begriff wird Werner Heisenberg (1901-1976) zugeschrieben, der gesagt haben soll, dass man das Wesen der Entropie daran erkennen könne, dass auf seinem Schreibtisch immer „von selbst“ Unordnung entstünde.
Mit der Entropie ist praktischerweise ein Unterschied zwischen Vergangenheit und Zukunft physikalisch definierbar: Gestern war die Entropie niedriger als heute, und morgen wird sie größer als heute sein. Die Vergangenheit – der vorherige Zustand – lässt sich mit keinem Mittel der Physik wieder herstellen.
Wendet man die Vorstellung der unaufhaltsam zunehmenden Unordnung, deren Maß die Entropie ist, auf das Weltall an, so ergibt sich folgender Gedanke: Energien sind – zum Beispiel in Form von Wärme – im All ungleichmäßig verteilt. Man denke nur an die heiße Sonne und die Eiseskälte zwischen den Sternen.
Alles organische Leben beruht auf physikalischen, chemischen, biologischen Prozessen, die sich in einer Hinsicht alle gleichen: Sie benötigen Energie, die sie nur dadurch erhalten können, dass Energie von einem höheren Niveau zu einem niedrigeren fließt („Zweiter Hauptsatz“). Ob ein Dachziegel zu Boden fällt, ob das Sonnenlicht den Erdball erwärmt oder ob ein Fluss ein Wasserrad treibt, immer wandelt sich Energie von „höherem Niveau“ in Energie „niedrigeren Niveaus“.
Alle diese Energieumsetzungen sind nur möglich, weil es Niveau-Unterschiede gibt, welche die Tendenz haben, sich auszugleichen. Wasser fließt den Berg nur hinunter, Wärme flutet nur vom heißen Ofen zur kälteren Umgebung, und kein Körper erhitzt sich dadurch, dass er seiner kühleren Umgebung Wärme entzieht.
Wo es jedoch keine Unterschiede im Energieniveau mehr gibt, hört jeder Energiefluss und damit alles organische Leben auf!
Weil nun überall die Tendenz besteht, dass sich Unterschiede im Energieniveau ausgleichen wollen, so kann es nur eine Frage der Zeit sein, bis sich alle Energie im ganzen Weltall gleichmäßig verteilt hat.
Die Sonnen werden dann ausgebrannt sein, jeder Himmelskörper kann nur so lange Wärme abstrahlen, bis er die gleiche Temperatur wie seine Umgebung erreicht hat, bis alles „gleich warm“ ist, also das selbe Energieniveau erreicht hat. Dann ist alles Leben zu Ende, alle chemischen Reaktionen hören auf.
Was bleibt, sind nur mechanische Bewegungen der Planeten um ihre erkalteten Sonnen, bis schließlich – abgebremst durch auch im Weltraum nicht völlig fehlende Reibungswiderstände – die letzten Planeten auf ihr Zentralgestirn stürzen.
Der „Wärmetod“ – die gleichförmige Verteilung aller Energie im All – wäre demnach das unausweichlich vorprogrammierte Ende des Universums, dem es entgegeneilt.
Was immer wir tun, ob wir arbeiten oder schlafen, wir vermehren die „Unordnung“, also die Entropie des Weltalls, und jedes Ereignis, von der Atmung des Menschen bis zum Absturz eines Himmelskörpers oder der Explosion einer Sonne, lässt die Entropie anwachsen, die ihrem Maximum zustrebt, dem „Wärmetod“ des Universums.
Sind Lebewesen „anentropisch“?
Lebewesen bestehen aus hoch komplizierten, also im Sinn der Thermodynamik höchst „unwahrscheinlichen“ Strukturen, die dem Entropieprinzip scheinbar widersprechen. Zum Beispiel ist das kleinste Bakterium, das vielleicht nur Minuten leben wird, komplizierter als jedes Werk menschlicher Technik.
Doch der zweite Hauptsatz widerspricht keineswegs dem Aufbau hochentwickelter Lebewesen, mögen diese, thermodynamisch gesehen, noch so unwahrscheinlich sein. Dieses Prinzip sagt nur, dass in einem abgeschlossenen System die Entropie stets zunehmen muss.
Unsere Erde zum Beispiel ist gar kein abgeschlossenes System. Sie ist ein offenes System, eingebunden in den Energiefluss Sonne – Erde – Weltraum, der Leben auf unserem Planeten möglich macht. Mag auch die Entropie durch die Entwicklung von Pflanzen und Tieren auf Erden örtlich abnehmen, gleichzeitig nimmt die Entropie der Sonne zu. Die Existenz von organischem Leben, das höhere Strukturen aus einfachen erzeugt, widerspricht nicht dem Entropiesatz im Ganzen.
Vom Lauf der Zeit
Unser menschlies Bewusstsein ist von dem „thermodynamischen Zeitpfeil“ geprägt: Gestern war früher als heute, und vom Morgen wissen wir nichts. Die Forderung des Entropiesatzes, dass Zeit nur in einer Richtung läuft, erscheint selbstverständlich, denn noch nie hat jemand eine „rückläufige Zeit“ beobachten können.
Wissenschaftlich belegen lässt sich diese Selbstverständlichkeit nicht, und die moderne Physik kann nicht ausschließen, dass sich der Zeitpfeil auch umdrehen könnte.
Der Physiker Stephen W. Hawking (1942-2018) hat aus diesem Dilemma einen Ausweg gefunden, indem er den Zeitpfeil mit der Expansion des Alls in Verbindung brachte. Unser Universum dehnt sich ja aus, und während dieser Expansion muss der Zeitpfeil in die bekannte Richtung laufen.
Sollte dereinst diese Expansion zum Stillstand kommen, und dann das All erst langsam, dann immer schneller in sich zusammenstürzen, dann könnte sich der Zeitpfeil umkehren und die Zeit würde rückwärts laufen. Unter diesen Bedingungen wäre allerdings pflanzliches, tierisches, menschliches Leben längst nicht mehr möglich. Alle Spekulationen, wie die Physik in rückläufiger Zeit aussehen mag, erübrigen sich, denn erleben wird diese Epoche niemand.
Das Ende des Universums und damit allen physischen Lebens erscheint also unausweichlich, egal, ob es sich durch den entropischen Wärmetod ereignet oder durch die Umkehrung des Zeitpfeiles in der Kontraktionsphase des Alls.
Neuerdings geht man davon aus, dass sich die Ausdehnung des Universums aufgrund einer rätselhafte „dunklen Energie“ laufend beschleunigt. Der Wärmetod wäre ihm dann sicher!
Ist unsere Welt ein abgeschlossenes System?
In zurückliegenden Jahrtausenden galten „Eingriffe von oben“ als Tatsache. Götter der Alten Griechen griffen aktiv in Kriege ein, Propheten warnten vor der „Strafe Gotte“, und selbst in unserer Zeit wird das „Wirken Gottes in der Geschichte“ gesucht. (Vor kurzem hörte ich von einem Professor der Theologie, dass die Wiedervereinigung Deutschlands nur als Folge eines göttlichen Eingriffs möglich war).
In der historischen Forschung ist spätestens seit David Friedrich Strauß (1808-1874) sein damals höchst umstrittenes Werk „Das Leben Jesu“ (1835) publizierte, der Gedanke an direkte göttliche Eingriffe ausgeklammert.
Doch das menschliche Gemüt sträubt sich gegen die Behauptung, dass unsere Welt unausweichlich im Chaos und im Wärmetod enden muss. Unbewusst weigert man sich, das Universum als „abgeschlossenes System“ zu akzeptieren, das, den physikalischen Naturgesetzen überlassen, auf keinerlei Hilfe hoffen darf.
Keine Religion kann sich mit dieser „von Gott verlassenen Welt“ abfinden; jeder religiöse Mensch sucht Kontakt nach oben, erfleht weiterführende Einsichten, die ihm das Weltbild der Physik nicht bieten kann.
Hoffnung verheißt eine alte Überlieferung: die sagenhafte Kunde vom Gral.
In vielfältiger Form wird von der Wunderkraft dieses Gefäßes berichtet. Dieses gilt als ein „Kraftvermittler“ zwischen dem Schöpfer und seiner Schöpfung. Gott hat seine Geschöpfe nicht im Stich gelassen. Er hat nicht nur vollkommene Gesetze in seinem Werk verankert, sondern führt ihm auch erhaltende Kräfte zu. Diese heilige Kraft erhält und fördert alle Welten, und niemand muss sich von Gott verlassen fühlen. –
Wer will, kann noch weitere Folgerungen daraus ziehen. Die Kraft (ein Physiker würde von „Energie“ sprechen) aus dem Heiligen Gral wirkt dann auch „anentropisch“, sie reduziert die „Unordnung“ in der Schöpfung. Unsere Welt ist demnach auch gar kein „abgeschlossenes System“, denn es fließt ihr ständig von außen geistige Energie zu, die dann letztlich auch irdisch wirksam wird. Damit muss „die Welt“ nicht unausweichlich, der vollen Härte des Entropiesatzes ausgeliefert, dem Chaos entgegeneilen.
Der Schöpfer selbst, der ununterbrochen Kraft abgeben kann, steht weit über den Prinzipien, die die Thermodynamik formuliert hat. Es ist kaum ein Zufall, dass die beiden Hauptsätze durch Beobachtung auf Erden gefunden, aber nie bewiesen wurden: Vermutlich gelten sie nur im irdischen Raum und in der irdischen Zeit und verlieren an Einfluss in höheren, in geistigen oder gar in göttliche Ebenen.
Auch der Mensch als ein unsterbliches Geistwesen darf hoffen, sich aus dem Kreislauf des Irdischen, aus Werden und Vergehen, aus Geburt und Wiedergeburt heraus zu entwickeln zu der von allen Religionen verheißen Daseinsform auf lichteren Höhen, wo andere Zeitbegriffe herrschen – und folglich auch der Entropiesatz nicht gelten muss.