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Religionsgeschichte

Zur Verbreitung des Christentums und der Ausbreitung des Islam

In „Das Feuer des Christentums“ haben wir die Frage gestellt, was Menschen der ersten Jahrhunderte veranlasst haben mag. Christ zu werden.
Nun sehen wir uns kurz die schnelle Ausbreitung des Christentums, besonders in seien Anfangszeiten, an.

Die Ausbreitung des frühen Christentums
Wenn wir heute von der Christianisierung sprechen, denken wir unwillkürlich an Rom als dem wichtigsten Ausgangspunkt für die christliche Mission. Doch das ist nur bedingt zutreffend. Denn der Ursprung des Christentums liegt in Palästina. Die bedeutendsten Ereignisse der Heilsgeschichte spielten sich in Jerusalem ab, bzw. dessen Umgebung. Jünger und Apostel von Jesus reisten von dort nach Ost und West, um dessen frohe Botschaft zu verbreiten. (Vgl. „Die urchristlichen Gemeinden“).
Der berühmteste Missionar war Paulus, der in drei Reisen rund um das östliche Mittelmeer predigte und schließlich auf der vierten Reise als Gefangener in Rom landete. Dort erhielt er nach der Apostelgeschichte (Apg. 28,16-31) genug Freiraum zum Missionieren, bis er möglicherweise, zusammen mit anderen Christen, nach dem Brand von Rom (64) als Brandstifter von Nero hingerichtet wurde. (1, S. 253).
Den Überlieferungen nach hat der Apostel Andreas in Griechenland, der Türkei und Konstantinopel gewirkt; der Apostel Petrus war, nach der höchst umstrittenen Lehre der katholischen Kirche, der erste Bischof von Rom; die Apostel Thaddäus und Bartholomäus gründeten die Armenische Kirche (um 313/314 wurde Armenien das erste christliche Königreich); der Apostel Bartholomäus predigte im Parther-Reich; der Apostel Thomas kam um 52 bis nach Indien, wo bis heute eine christliche Gemeinde besteht, usw.
Nach der Legalisierung des Christentums im Jahre 313 durch Konstantin dem Großen konnte dieses religiöse Bekenntnis endlich öffentlich auftreten und sich im Römischen Reich zügig verbreiten. 391 wurde es Staatsreligion.
Im Jahr 395 wurde das Römische Reich geteilt in das Weströmische Reich mit der Hauptstadt Mailand (von 402 an Ravenna) und in das Oströmische (Byzantinische) Reich mit der Hauptstadt Konstantinopel.
Diese Reichsteilung markiert für manche Historiker das Ende des Altertums.
Das Weströmische Reich brach bald danach in den Stürmen der Völkerwanderung zusammen, bis es 476 mit der Absetzung des letzten Kaisers erlosch.
Doch das Christentum, mit einem wichtigen religiösen Zentrum in Rom, breitete sich weiter aus und verdrängte heidnische Religionen.
Das Oströmische Reich konnte sich noch über ein Jahrtausend behaupten und zwischendurch sogar erweitern. Auch von hier aus wurde erfolgreich missioniert.
Unter Justinian I. (482-565) hatten die Byzantiner germanische Reiche in Nordafrika und Italien erobert. Der zähe Krieg mit Persien konnte beendet, und ein Aufstand niedergeschlagen werden.
Allerdings bedrohten nomadische Völker aus der Steppe die beiden  Römischen Reiche, wie auch das Persische Reich.
Im 6. Jahrhundert waren Teile Ägyptens, Äthiopien, England, Gallien (Frankreich), Italien, Irland, Nordafrika, Osteuropa mit Byzanz, Palästina, Schottland, die Schweiz, Spanien, Süddeutschland usw., also im Wesentlichen das ganze Gebiet des Römischen Weltreiches und darüber hinaus, zumindest teilweise christlich. Auch germanische Eroberer ließen sich taufen.
Weniger bekannt ist die von Konstantinopel ausgehende Ausbreitung des Christentums im mittleren, sogar im fernen Osten. Hier gab es christliche Gemeinden bei Medern, Parthern, Persern, in Aserbaidschan, in Arabien, in Indien und angeblich sogar in China.

Im frühen Mittelalter schien das Christentum auf bestem Wege, die ganze bekannten Welt zu erobern. Allerdings in verschiedenen kultischen Formen mit voneinander abweichenden Theologien (Arianisch, Assyrisch, Äthiopisch Byzantinisch, Koptisch, Nestorianisch, Römisch usw.) und mit Patriarchen in Alexandrien, Antiochien, Jerusalem und Konstantinopel, sowie dem eine Sonderstellung beanspruchenden Bischof von Rom. Diese Zersplitterung führte zu vielem Ungemach, heftigen Streitereien und sogar Spaltungen, die sich trotz mancher Bemühungen nicht überwinden ließen. So kam es 1054 schließlich zum „Schisma“, der Kirchenspaltung in die lateinische (Rom) und die griechische (Byzanz) Christenheit.
Zu dieser inneren Zersplitterung hinzu kamen noch Auseinandersetzungen mit Abweichlern (Ketzern), und die Frage nach der Einordnung bzw. Duldung der Juden.
Auch schwere Rückschläge für die gesamte Christenheit blieben nicht aus:

Der Schwarze Tod
Die 541 in Ägypten ausgebrochene Beulenpest verbreitete sich von 542 an schnell im Mittelmeerraum. 545 wütete sie als „Julianische Pest“ in Konstantinopel, wo „eine Zeit lang täglich zehntausend Menschen starben“. (3, S. 104).
Die Beulenpest brachte Not, Verzweiflung und Tod. Sie löste zudem eine anhaltende Depression aus. Felder ohne Bauern, Städte ohne Verbraucher und eine ganze Generation, die schon in jungen Jahren dahingerafft wurde, veränderten die Demographie der Spätantike und verursachten einen erheblichen Rückgang der Wirtschaft“. (3, S. 105).

Perserkriege
Die alte, nie ganz erloschene Feindschaft mit Persien flammte unter den Nachfolgern Justinian I. wieder auf und führte zu langwierigen Kriegen, in denen es hin und her ging.
Zu allem Überfluss gab es noch innere Wirren, Thronstreitigkeiten, religiöse Konflikte.
626 standen die Perser, zusammen mit den Awaren, einem Reitervolk aus der Steppe, vor Konstantinopel. Der Sturm auf die Stadt scheiterte an den berühmten Theodosianischen Mauern (Kaiser Theodosius II. 401-450).
Nun wurde der Perserkrieg zum Religionskrieg, dem Kampf von „Jesus gegen Zoroaster“.
Dann ging den Awaren das Pferdefutter aus, und die Perser erfuhren von einer Bedrohung ihres Reiches im Osten durch die Kök-Türken (Alt-Türken, Vorläufern des Osmanischen Reiches).
Die Angreifer mussten abziehen.
Der Römische Kaiser Herakleios (575-641) wagte einen verblüffenden Gegenstoß und konnte ein großes Persisches Heer 627 in der Schlacht bei Ninive schlagen. Die Persische Führung brach zusammen, der Schah Chosrau II. (590-628) wurde ermordet, und sein Sohn musste um Frieden bitten.
Auch der Zoroastrismus als persische Staatsreligion lag am Boden.
Das Oströmische Reich durfte sich als Sieger sehen!
Und mit ihm das Christentum, dessen weiterer Ausbreitung über die bekannte Welt nichts mehr im Wege zu stehen schien.

Doch es kam anders.
Die großen Jesus-Worte hatten ihre Kraft zum größten Teil verloren: Durch ungenaue Überlieferung, falsche Deutung, Eindringen eng begrenzter menschlicher Vorstellungen in die umfassende göttliche Offenbarung und Herrschaftsanspruch der zerstrittenen Kirchen und ihren aufbegehrenden Bekennern.
Der Christenheit fehlte der Zusammenhalt, die geistige Kraft zum Widerstand, und die Hilfe aus dem Licht.

Der Sturm aus der Wüste
Zu Beginn des 7. Jahrhunderts tauchte, völlig unerwartet, eine neue höchst gefährliche Bedrohung auf.
Mitten in der Wüste, im fernen Nirgendwo, das kaum Jemand in den großen Reichen kannte, erschien in Mekka ein Prophet mit dem Namen Mohammed (ca. 570-632), der Judentum und Christentum in einer weiterführenden, streng monotheistischen Religion vereinen wollte. Diese beiden abrahamitischen Religionen waren damals sogar schon in der Arabischen Wüste bekannt, wo polytheistische Naturreligionen dominierten. Judentum und Christentum lieferten Mohammed manche Anregungen, die auch im Koran ihren Niederschlag fanden.
Zunächst erweckte der „Prophet Allahs“ nur wenig Begeisterung.
Mit seinen Anhängern wurde er 622 aus seiner heidnischen Heimatstadt Mekka vertrieben, einer Handelsmetropole und einem Pilgerzentrum des Polytheismus, das ein Anziehungspunkt für Götzenanbeter bleiben wollte.
Mohammed konnte mit seinem Gefolge in Jathrib (heute Medina) unterkommen.
Dort wurde er zum „bewaffneten Propheten“ (Machiavelli), der als Wüstenräuber beginnen musste, um seine theologische Mission gewaltsam umzusetzen und den Islam zu verbreiten.
Der „Prophet Allahs“ war nun der religiöse Führer und zugleich als Feldherr der irdische Herrscher. Zuerst über sein Gefolge und dann über die eroberten Gebiete.
Diese Einheit der religiösen und der irdischen Macht über alle Gläubigen, in einer Hand, ist bis heute das Vorbild für fundamentalistische Muslime, die sie in einem erneuerten „Kalifat“[i] wiederbeleben möchten; trotz aller ethnischen, kulturellen, ökonomischen, politischen und religiösen (Sunniten und Schiiten) Unterschiede.
Juden und Christen lehnten die neue Lehre, den Islam, meist ab.
Der Prophet wurde bei Diskussionen mit rabulistisch geschulten Juden in Schwierigkeiten gebracht und sogar mit Spott überzogen; wofür er sich – z. B. bei den Juden von Jathrib – grausam zu rächen wusste (2, S. 221 f.).
Bei seinem Tod im Jahre 632 hatte Mohammed eine lose Herrschaft über die Arabische Halbinsel errungen, die von seinen Nachfolgern, den „Kalifen“, gefestigt und ausgeweitet werden musste.

Die Ausbreitung des Islam
Unter den Kalifen folgte ein einmaliger Siegeslauf der Krieger aus der Wüste, mit ihrer neuen Religion. Nicht zuletzt wurde dabei reiche Beute eingebracht.
Die beiden großen, benachbarten Reiche – Ostrom und Persien – waren durch langwierige Kriege, Wirtschaftskrisen, Seuchen und religiöse Streitigkeiten sehr geschwächt.
Beide Reiche unterschätzten die Gefahr aus der Wüste, von der noch nie eine ernste Bedrohung ausgegangen war.
Ideale Voraussetzungen für die arabische Invasion.
636 wurde das Byzantinische Heer in der Schlacht am Jarmuk von Omar (592-644), dem zweiten Kalifen, vernichtend geschlagen. Der Südosten des Byzantinischen Reiches, sowie Syrien, Palästina und Nordafrika mit Ägypten gingen der christlichen Welt  verloren.
Den Persern erging es noch übler:
Nach der entscheidenden Niederlage von Nehawend (642) brach das Reich der Sassaniden auseinander und ging mit der Ermordung Yazdegerds III., des letzten Persischen Großkönigs (632-651), endgültig unter.
Persien konnte von den Arabern unterworfen und islamisiert werden.
Der organisierte Widerstand gegen die Muslime war in der Mitte des 7. Jahrhunderts weitgehend zusammengebrochen. Eine Stadt nach der anderen musste sich kampflos ergeben.
Bei diesen Eroberungszügen wurde nicht sehr viel zerstört, aber reichlich Beute gemacht, von der auch die Kämpfer ihren Anteil erhielten.
Die Chance auf Beutemachen ermunterte zu weiteren Eroberungen und ließ arme Wüstenkrieger zur Armee strömen.
Das „Tor zur Welt“ stand nun für den Islam offen, dessen Siegeslauf unaufhaltsam schien.
Grenzen fielen, neue Handelswege konnten entstehen, und die Wirtschaft blühte auf. Den neuen Herrschern flossen aus der florierenden Ökonomie reichliche Steuereinnahmen zu.
Beste Voraussetzungen also für den, heute von Muslimen viel bewunderten, wirtschaftlichen und zivilisatorischen Aufschwung der arabisch-islamischen Reiche.
Zuerst das Kalifat der Umayyaden (661-750) in Damaskus, und dann das der Abbasiden (750-1517). Jeder kennt aus „Tausendundeine Nacht“ den Namen Harun al-Raschid (766-809) und die Traumstadt Bagdad mit ihrer sagenhaften orientalischen Pracht.
Im frühen Mittelalter war der Orient dem christlichen Abendland – das durch die Völkerwanderung sehr gelitten hatte – auf vielen Gebieten voraus. Nicht zuletzt, weil man im Orient Quellen aus der griechischen Antike ebenso zu nutzen wusste, wie wissenschaftliche Kenntnisse aus Indien und China, oder das Wissen jüdischer und christlicher Gelehrter.
Um 750 (128 Jahre nach der Flucht Mohammeds aus Mekka) hatte sich der Islam im Westen bis Spanien, im Osten nach Indien und bis zur Chinesischen Grenze verbreitet. Ein Gebiet, das sich in seiner Ausdehnung mit dem Römischen Reich zu seiner Blütezeit vergleichen lässt.
Und die Ausbreitung des Islam ging weiter. Von Afrika über Indien bis China. Durch Eroberung (Indien) oder freiwilligen Übertritt (Mali, Indonesien usw.).
Kaum überraschend, dass islamische Mullahs diese unerhört schnelle, zuerst gewaltsame, später auch friedliche Ausbreitung des neuen Glaubens als ein Werk Allahs sahen und heute noch sehen.

Eine sanfte Herrschaft
Die siegreichen muslimischen Araber waren zunächst milde Herrscher.
Juden und Christen konnten als „Völker des Buches“ (Bibel?) ihrer Religion treu bleiben. Die römischen und die sassanidischen Verwaltungsstrukturen blieben erhalten, die meisten Beamten konnten ihre Posten behalten.
Diese Rücksichtnahme war notwendig. Denn für eine strenge Kontrolle der eroberten Länder waren die Sieger zahlenmäßig viel zu gering. Zumal die Eroberungen weiter gingen, und die Truppen an den Fronten gebraucht wurden. Auch fehlten den Arabern Erfahrungen in der Verwaltung größerer Staaten.
Doch diese Sanftmut hielt nicht an.
Innerislamische Streitigkeiten brachen aus, besonders um die Nachfolgeregelungen. Von den ersten vier Kalifen wurden drei ermordet.
Das politische Klima verhärtete sich.
Der Umgang mit den Besiegten wurde rauer, und vom Ende des 7. Jahrhunderts an erlangte die Bekehrung der „Ungläubigen“ größere Bedeutung.
Juden und Christen litten von da an unter Unterdrückungen, z. B. einer höheren Besteuerung. Auch Pogrome gegen Juden kamen vor (wie schon von Mohammed selbst veranlasst), ähnlich denen im Abendland.
Am härtesten verfolgt wurden die Zoroastrier (kein „Volk des Buches“), sodass diese nach Indien und Pakistan fliehen mussten, wo man sie noch heute als „Parsen“ (Perser) kennt.

Ein langer Abwehrkampf
Ein fast ein Jahrtausend währender Abwehrkampf des christlichen Europas gegen einen aggressiven Islam musste folgen.
Denn der Islam war die gefährlichste, die am längsten anhaltende Bedrohung des Abendlandes; dieses musste sich wehren, wenn es nicht kampflos untergehen wollte.
Im Westen konnten 732 die von Spanien nach Gallien vorgestoßenen Muslime von Karl Martell (ca. 688-741) in der Schlacht von Tours und Poitiers aufgehalten werden.
Die Eindringlinge zogen sich zurück. Allerdings nicht – wie die Christen glaubten – weil sie vernichtend geschlagen waren.
Mitteleuropa war durch die Völkerwanderung verarmt, zum großen Teil zerstört, die Wirtschaft lag darnieder, und der Handel war zusammengebrochen. Hier war keine Beute zu erhoffen, die einen aufwendigen Kriegszug gerechtfertigt hätte.
Im 8. Jahrhundert begann dann auch die „Reconquista“, die Rückeroberung Spaniens, die erst 1492 beendet war.
Besonders schmerzhaft war für die Christenheit der Verlust des „Heiligen Landes“, der Wirkungsstätten von Jesus, also den Orten der wichtigsten Glaubensereignisse. Zudem befanden sich in den ersten Jahrhunderten in Nordafrika und Palästina wichtige Zentren des christlichen Glaubens, die vom 7. Jahrhundert an verloren gingen.

Durch die Kreuzzüge vom 11. Bis zum 13. Jahrhundert – die vor allem vom Westen ausgingen – konnte zwar 1099 Jerusalem zurückerobert werden, doch auf Dauer war das „Heilige Land“ nicht zu halten.
Nicht alle Kreuzfahrer waren ganz und gar von der religiösen Begeisterung erfüllt. Etliche hofften auf Beute oder ein Lehen in den eroberten Gebieten. Für die miteinander konkurrierenden Seehandelsmächte war zuerst der Schiffstransport ein einträgliches Geschäft. Dann ging es um Niederlassungen in „Outremer“ (Übersee) und um Handelsbeziehungen mit den Muslimen. Bald brachen Streitigkeiten aus zwischen rivalisierenden Christen im „Heiligen Land“, und die zerstrittenen oder gar verfeindeten europäischen Staaten wollten die nötige Unterstützung nicht mehr leisten.
Nach der Schlacht bei Hattin (1187) war das Königreich Jerusalem verloren, und die anderen Kreuzfahrerstaaten (Antiochia, Edessa, Tripolis) waren bis 1302 ebenfalls erledigt. 
So bleiben die Kreuzzüge nur eine Episode, die allerdings noch heute islamistischen Propagandisten als Beweis für die Aggressivität des Christentums dient.
Muslime wollen ja auf keinen Fall islamisches Land aufgeben, sehen aber die Eroberung nicht-islamischer Länder als legitim an.

Das Abendland in Gefahr
Nach den arabischen Eroberungen im Nahen Osten, Nordafrika und Spanien, die im Westen 732 gerade noch gestoppt werden konnten, folgte eine existenzgefährdende Bedrohung des Abendlandes, der griechisch-römisch-christlichen Kultur, aus dem Osten; zuerst durch arabische, dann durch türkische Muslime.
Eine von 674 bis 678 dauernde Belagerung von Konstantinopel durch die Araber unter Kalif Muawiya I. (605-680) wurde durch das „Griechische Feuer“ (ein Vorläufer des Flammenwerfers) abgewehrt. Sonst wäre Konstantinopel gefallen, und die Araber wären im zentralen und vielleicht auch im westlichen Europa eingedrungen – niemand kann wissen wie weit.
Das geheimnisumwitterte „Griechische Feuer“, als „Wunderwaffe“ der Schrecken der muslimischen Matrosen, bewahrte über fast acht Jahrhunderte Konstantinopel vor dem Untergang. (Vgl. „Kurz, knapp, kurios“ Seite 369, „Wie das flüssige Feuer die Christenheit rettete“).

Die wilden Reiter aus der Steppe
Eine möglicherweise noch größere Gefahr für das christlichen Abendland ging von den Mongolen aus.
Nachdem ein Deutsches Heer unter Heinrich II. von Schlesien 1241 bei Liegnitz vernichtet war, mussten sich die Mongolen zurückziehen. Aber nicht – wie noch mein Geschichtslehrer behauptete – weil sie von der Tapferkeit der Deutschen Ritter so sehr beeindruckt waren, sondern weil im fernen Karakorum der Großkhan Ögödei verstarb.
Nach der Wahl des Nachfolgers wandten die Mongolen sich lukrativeren Zielen zu, eroberten1258 Bagdad, zerstörten das Abbasiden Kalifat[ii] und drangen bis Ägypten vor.
Danach zerfiel das Reich der Mongolen, das größte Festlandsreich der Geschichte, durch innere Streitigkeiten in mehrere Teile.
Eine aus den asiatischen Steppen kommende, verheerende Pestepidemie überrollte und entvölkerte von 1347-1350 fast die gesamte damals bekannte Welt. (Vgl. „Der vierte Reiter“).
Für große Aktionen fehlte nun fast überall die Kraft. Auch löste die Pandemie ökonomische und soziale Entwicklungen aus, die Europa verändern sollten.
Der Weg wurde frei für den Aufstieg eines neuen islamischen Reiches.

Das Osmanische (Türkische) Reich
Nach dem Mongolensturm kamen wandernde Nomaden aus den Weiten Asiens (Turk-Völker), unter ihnen türkische Muslime und muslimische Seldschuken, die das Erbe der zerstörten Kalifate antraten.
1301 wird Osman I. (1281-1326) zum Sultan und gründet das Osmanische Reich. Dieses wird nun, als Erbe der arabischen Kalifate, zur existenzgefährdenden Bedrohung der christlichen Welt.
Die Hauptstadt des stark geschrumpften Byzantinischen Reiches konnte 1453, mit Hilfe der größten, bis dahin gesehenen Kanonen, von den Türken erobert werden.
Der ganze, zum Teil schon verlorene Balkan schien nun eine leichte Beute für die Muslime.
1529 und 1683 standen die Türken vor Wien. Österreich, Süddeutschland, das ganze Abendland waren in Gefahr.
Nach dem ebenso knappen, wie glücklichen Sieg der Europäer, nach der zweiten Belagerung von Wien (1683), geriet das Osmanische Reich unter Druck.
Österreich eroberte verlorene Gebiete zurück.
In den Kolonien konnten Europäische Mächte sich gegen das nun langsam zerfallende Osmanische Reich, dem „kranken Mann am Bosporus“, immer besser behaupten, und vom 18. Jahrhundert an ging von islamischen Staaten keine ernste militärische Bedrohung für Europa mehr aus, bis das Osmanische Reich nach dem Ersten Weltkrieg zusammenbrach.

Ende und Neuanfang der christlichen Mission
Nach großen Anfangserfolgen hatte die christliche Mission in den Auseinandersetzungen mit dem konkurrierenden Islam schwerste Rückschläge erlitten. Die Verbreitung des Christentums war im 7. Jahrhundert zunächst zusammengebrochen; der Islam breitete sich ungehemmt, auch über einst christliche Regionen, aus.
So konnten christliche Kirchen – nun mit verschiedenen Konfessionen – erst in der Kolonialzeit wieder missionieren. Fast nur auf nicht-europäischen Kontinenten und besonders bei Völkern mit Naturreligionen in Afrika und Amerika. In Asien konnten Gläubige in Japan und Korea gewonnen werden, kaum in China und Indien.
Heute ist das Christentum die am meisten verfolgte Religion, was aber kaum Jemand in den Demokratien wahrnimmt; nicht einmal den Papst scheinen die Diskriminierungen der Christen, z. B. in islamischen Ländern, zu stören.
In unserer Zeit des areligiösen Materialismus, wird das Christentum nicht selten mit dem Kolonialismus in Verbindung gebracht und darauf hingewiesen, dass sich in der Bibel Rechtfertigungen für Sklaverei, Kolonialismus und die Abwertung farbiger Völker finden lassen, die noch im 20. Jahrhundert z. B. die Apartheit religiös legitimieren sollten.
Das große Jesus-Wort „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“ (Matth. 7,16) spricht leider sehr gegen die sogenannten „Christen“ und deren selbstgerechte Priester, die sich schwerste Verbrechen aus der Vergangenheit ebenso anlasten lassen müssen, wie unschöne Skandale aus jüngerer Zeit. 
Das Ansehen der hohen Lehre des Gottessohnes hat, durch das Verhalten seiner Priester wie seiner Gläubigen, leider sehr gelitten.
Heute haben es Christen daher mit der Missionsarbeit schwer, besonders wenn ein großer Teil der Anzusprechenden aus Agnostikern oder Atheisten besteht. Katholische, orthodoxe, zahlreiche evangelische Kirchen, sowie christliche und andere Sekten, deren Lehren sich nicht selten widersprechen, stehen miteinander im Wettbewerb. Sie haben oft genug Mühe, den eigenen Mitgliederschwund ein wenig zu bremsen.
Von einer Mission im klassischen Sinn kann man aus europäischer Sicht kaum noch sprechen; es geht eher um soziale und ökonomische Projekte der Entwicklungshilfe als um die typische „Bekehrung“, die Verkündung des Evangeliums.
Zulauf finden heute eher noch Sekten, mit vielen verschiedenen, manchmal sogar skurrilen, religiösen Ideen.
Schwer zu glauben, dass alle diese, mehr oder weniger streitsüchtigen Gruppierungen, die sich „Christen“ nennen, vom selben Gott sprechen, der ein Gott der Wahrheit, der Liebe und der Gerechtigkeit ist, von dem nur Gutes ausgeht.

Die heutige Verbreitung des Islam
In islamischen Ländern ist eine (christliche) Mission so gut wie unmöglich, da für Muslime der Abfall vom Glauben als todeswürdiges Verbrechen gilt.
Dagegen wird von islamischen Mullahs weltweit fleißig bis aggressiv missioniert. Selbst der islamistische Fundamentalismus oder gar Terrorismus – der Demokratien zerstören will – kann in westlichen Ländern mit freiheitlichen Verfassungen (Religionsfreiheit), ziemlich ungehindert agieren und an Boden gewinnen.
Antisemitische Äußerungen, im Koran und besonders in den Hadithen[iii], werden in freiheitlichen Ländern meist zu wenig ernst genommen.
In der Mitte des 21. Jahrhunderts dürfte der Islam – schon aufgrund des Bevölkerungswachstums islamischer Länder – vor dem Christentum zur größten Weltreligion werden. Ob damit der Druck zur Islamisierung weiterer Länder zunimmt?
Der vom Islam angeblich erstrebte Friede[iv] ist – nach fundamentalistischen Lehren – erst dann erreicht, wenn der Islam ausnahmslos überall herrscht.

Ins Mittelalter zurück?
Viele Länder sind aus ethnischen, historischen, ökonomischen, politischen, religiösen Gründen mit ihren Grenzen nicht einverstanden.
Nicht nur religiöse Fundamentalisten und Populisten, sondern auch manche Politiker in der zerstrittenen Welt von heute, hegen daher leider nostalgische Träume, die bei Extremisten und Polit-Propagandisten Unterstützung finden:
Wladimir Putin wünscht sich die Sowjetunion, oder sogar das ganze Gebiet des zaristischen Russland und dessen Einfluss auf die Weltpolitik zurück.
China fordert den Anschluss von Taiwan, will die führende Weltmacht werden und möchte die Technologieführerschaft wiedererringen, die es bis ins 14. Jahrhundert hatte.
Recep Erdogan denkt zu viel an die Glanzzeiten des Osmanischen Reiches und wünscht sich eine Groß-Türkei.
Viktor Orban möchte den Trianon-Vertrag von 1919 revidieren, durch den ca. 40% der Ungarn nicht im Heimatland leben.
Narendra Modi will seine Nuklearmacht Indien zu einer führenden hinduistischen Großmacht ausbauen und strebt den Anschluss von Pakistan und Bangladesch (beide muslimisch) an.
Fundamentalistische Muslime träumen von der Auferstehung des Kalifats, der Einführung der Scharia[v] und der Islamisierung der Welt.
Ähnliche Wünsche nach Grenzverschiebungen und Machterweiterungen gibt es – politisch, religiös oder ethnisch begründet – in vielen weiteren Ländern.
Derart nostalgische Hoffnungen – auch von wichtigen Politikern und Diktatoren vieler Länder – werden in westlichen Demokratien meist nicht ernst genug genommen, wie z. B. beim Ukraine-Krieg.
Dann kann es zu politischen Fehleinschätzungen kommen, die den Blick in die Zukunft verstellen und die ohnehin labile Weltordnung noch weiter ins Wanken bringen.

Lesen dazu auch „Die christliche Mission – eine gescheiterte Utopie

Literatur:
(1) Durant, Will, „Kulturgeschichte der Menschheit“, Band 9, Editions Recontre, Lausanne, o. J., Seite 253.
(2) Essad Bey, „Mohammed“, dtv, München 1993.
(3) Frankopan, Peter, „Licht aus dem Osten“, Rowohlt, Reinbeck, 2017.
Endnoten:
[i] Kalifen = Nachfolger Mohammeds. Es gab verschiedene Kalifate, als letztes das Osmanische Kalifat, das 1924, zwei Jahre nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches, offiziell beendet wurde.
[ii] Nach der Zerstörung von Bagdad erlosch das Kalifat zunächst. Die Abbasiden regierten nur noch formal in Ägypten unter der Herrschaft der Mameluken. Erneuert wurde das Kalifat dann erst 1770 im Osmanischen Reich.
[iii] Hadithe = Mohammed zugeschriebene Äußerungen und Handlungen. Nach dem Koran die wichtigsten Quellen für den islamischen Glauben.
[iv] Die oft gehörte Behauptung „Islam“ bedeute „Frieden“ ist eine Fehlübersetzung. „Islam“ bedeutet „Unterwerfung“, Unterwerfung vor Gott. Das „Reich des Friedens“ ist aus fundamentalistischer Sicht nur verwirklicht, wenn der Islam mit der Scharia herrscht. Nicht-islamische Gebiete gehören zum „Reich des Krieges“ und sollten für den Islam erobert werden.
[v] Scharia = Das islamische Rechtsverständnis.