Veröffentlicht in GralsWelt 51/2008
Werden Nahrungsmittel knapp?
Im April 2008 wurde die Regierung von Haiti, einem der ärmsten Länder Mittelamerikas bzw. der Karibik, durch eine fast in einen Volksaufstand übergehende Großdemonstration der Bevölkerung zum Rücktritt gezwungen. Der Anlass für diese Proteste waren stark gestiegene Lebensmittelpreise. Ein Reporter verstieg sich zu der Aussage, diese Preissteigerungen für Grundnahrungsmittel, die inzwischen auch in weiteren armen Ländern für Unruhen gesorgt haben und weiterhin sorgen werden, seien überraschend gekommen.
„Zu Beginn der 90er Jahre müssen wir uns für konsequente Maßnahmen entscheiden, um das Bevölkerungswachstum aufzuhalten, die Armut zu bekämpfen und die Umwelt zu schützen. Andernfalls werden wir unseren Kindern nur ein vergiftetes Erbe hinterlassen.“
Weltbevölkerungsbericht 1990 (1, S. 23)
Überraschend?
Seit Jahrzehnten wird darauf hingewiesen, dass bei der wachsenden Weltbevölkerung die pro Kopf zur Verfügung stehenden Ackerflächen abnehmen (vgl. „Ein vernichtender Fußabdruck„) und daher damit zu rechnen sei, dass die Lebensmittelproduktion den Bedarf in absehbarer Zeit nicht mehr befriedigen könne. Dieses Problem wird verschärft durch die Erzeugung von Kraftstoffen aus Zuckerrohr, Weizen, Mais, Reis oder Pflanzenöl; alles wichtige Nahrungsmittel, die man entweder für „Sprit“ oder für „Brot“ verwenden kann. Ganz abgesehen von dem Irrsinn, Tropenwälder großflächig abzuholzen. Auf den Rodungen sollen dann z. B. Ölpalmen wachsen, die für Dieselmotoren geeignetes Öl liefern[i].
Reicht das „blaue Gold“? (8)
In wenigen Jahren werden wir in vielen Teilen der Welt von einer weiteren Verknappung „überrascht“ werden: Der Wasserverbrauch ist in den letzten Jahrzehnten drastisch angestiegen, und wenn der Bedarf so weiter wächst, wird es am wichtigsten aller Lebensmittel, am Wasser, fehlen!
„Regen, Regen, Himmelssegen!
Bring uns Kühle, lösch den Staub
Und erquicke Halm und Laub.
Regen, Regen, Himmelssegen!
Labe meine Blümelein,
dass sie blühn im Sonnenschein.
Regen, Regen, Himmelssegen!
Nimm dich auch des Bächleins an,
dass es wieder rauschen kann!August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1789-1874)
Schon im Jahr 1980 warnte „Global 2000″:
„Süßwasser, einst eine reichlich vorkommende Ressource in dem meisten Gegenden der Erde, wird aus zwei Gründen in den nächsten Jahrzehnten immer knapper werden. Erstens wird es einen größeren Nettoverbrauch durch Kühltürme, vor allem aber durch künstliche Bewässerungssysteme geben, so dass der Gesamtvorrat zurückgehen wird. Zweitens werden Verschmutzung und die Auswirkungen von Wasserkraftwerken die Verwendung von Süßwasser erheblich einschränken – und damit den Vorrat an Süßwasser. Die Verschlechterung der Situation in den Einzugsgebieten der Flüsse, nicht zuletzt ein Resultat der Abholzung, wird die Unberechenbarkeit der Wasservorräte erhöhen, Bodenerosionen beschleunigen, Projekte zur Erschließung von Wasser beeinträchtigen und die Qualität des Wassers mindern. Es scheint unvermeidlich, dass die Funktion von Strömen und Flüssen als Lebensraum von Wasserorganismen zunehmend den Zwecken künstlicher Bewässerung, dem menschlichen Verbrauch und der Energieerzeugung geopfert wird. Das gilt vor allem für die unterentwickelten Länder.“ (2, S. 725).
1992/93 entdeckte die Presse das Thema „Krieg um Wasser“ (1, S. 12; 6). Da überlebenswichtige Flusssysteme oft durch mehrere Staaten fließen[ii], die sich nicht selten um das Wasser streiten, scheinen sogar bewaffnete Auseinandersetzungen vorprogrammiert. Der bekannteste Wasserkonflikt betrifft das Jordan-Wasser, das der Staat Israel seit der Besetzung der Golan-Höhen im Sechs-Tage-Krieg (1967) kontrolliert.
Die Gewässer der Erde
Die Erde verfügt über die gewaltige Wassermenge von 1,38 Milliarden km³. Davon sind allerdings nur 2,6 % Süßwasser. Der größte Teil des Süßwassers ist schwer zugänglich, so dass wir eigentlich nur über das Niederschlagswasser, eine erneuerbare Ressource, verfügen können. Nach „Water for People“ (10) betragen die gesamten Niederschläge auf die Landfläche ~ 110.000 km³/Jahr. Ein erheblicher Teil davon verdunstet direkt oder indirekt über Pflanzen. Praktisch nutzbar ist nur das Niederschlagswasser, das direkt auf Felder oder Nutzwälder abregnet, und das Abflusswasser, das über Flüsse oder als Grundwasser in die Ozeane zurückfließt.
Wie viel Wasser braucht der Mensch?
Ein Mensch braucht zum Überleben ~ 2 – 10 Liter Trinkwasser pro Tag. Der tatsächliche Wasserbedarf, einschließlich der Hygiene, ist weit höher, vor allem in Industrieländern, wo man sich den Luxus erlaubt, die Toiletten mit Trinkwasser zu spülen:
Tabelle 1: Wasserverbrauch pro Person + Tag ohne Landwirtschaft und Industrie, 2006.
Liter Wasser Land
25 Indien
122 Belgien
129 Deutschland
145 Österreich/Dänemark
188 Schweden
237 Schweiz
278 Japan
295 USA
500 Dubai
Quelle: 15.
Für die Nahrungsmittelproduktion wird ebenfalls viel Wasser benötigt. Um einen Menschen mit bescheidenen Ansprüchen zu ernähren ist erforderlich:
Tabelle 2: Mindest-Wasserbedarf für Trinken und Ernährung bei fleischarmer Kost:
Bedarf pro Person: 3 m³/Tag = 1.095 m³/Jahr
für 6,5 Milliarden: ~ 7.150 km³/Jahr
Quelle: 9, S. 39.
Für den tatsächlichen Wasserverbrauch der Menschheit werden folgende Daten genannt:
Tabelle 3: Bevölkerung in Millionen und Wasserverbrauch weltweit in km³/Jahr, 1977:
Bevölkerung Energie Bewässerung Industrie Gesamt +Haushalt Afrika 405 11 60,8 16,2 88 Asien 2.290 68 1.400 129 1.597 Australien 20 7,9 13 8,1 29 Europa 404 176 116 224 516 Nordam. 339 232 205 114 551 Südam. 214 6,4 35 15,6 57 Welt 3.670 502 1.830 506 2.838[iii]
Bei der damaligen Weltbevölkerung von 3.67 Milliarden Menschen ergibt sich ein Durchschnittsverbrauch pro Kopf von 773 m³/Jahr. (Afrika 217 m³; Nordamerika 1.625 m³).
Im Jahr 2000 war der Wasserverbrauch weltweit ~ 5.000 km³/Jahr. Bei 6 Milliarden Menschen also pro Kopf ~ 833 m³/Jahr.
Nicht berücksichtigt ist in diesen Zahlen das Regenwasser, das Felder und Nutzwälder direkt bewässert.
Quellen: 2, S. 362; 10, S. 13; http://www.geospot.de/wasserkonflikt/ressource.htm.
Prozentual verteilt sich der Wasserverbrauch folgendermaßen:
Tabelle 4: Der Wasserverbrauch weltweit jn % Landwirtschaft Industrie Haushalt
Länder mit niedrigem bis
mittlerem Einkommen 82% 10 % 8 %
Länder mit hohem
Einkommen 30 % 59 % 11 %
EU 21 % 63 % 16 %
Welt 70 % 22 % 8 %
Quelle: 10, S. 228.
Zwischen 1940 und 1990 hat sich der Wasserverbrauch der Welt vervierfacht, die Bevölkerung hat sich im gleichen Zeitraum verdoppelt[iv].
Heute hat sich der Wasserverbrauch der Industrieländer auf hohem Niveau stabilisiert.
Die Entwicklungsländer streben ein höheres Einkommen an und brauchen dazu mehr Wasser. Bei steigender Bevölkerung werden sie für Energiegewinnung, Industrie und Haushalt ähnlich hohe Wassermengen pro Kopf benötigen, wie die entwickelten Länder.
Zudem wird der Wasserbedarf der Landwirtschaft stark zunehmen, da sich durch Bewässerung die Erträge wesentlich steigern lassen (Tabelle 5). Derzeit werden etwa 60 % der landwirtschaftlichen Flächen bewässert und dafür etwa 70 % des künstlich verteilten Wassers in Anspruch genommen.
Tabelle 5: Maximale Ernteerträge durch Bewässerung:
Allein vom Regen bewässertes Getreide: ~ 3.000 kg/Hektar
Optimal bewässertes Getreide ~ 7.500 kg/Hektar [v]
Quelle: 10, S. 205.
Global können wir über die folgenden Wassermengen verfügen, die allerdings regional sehr unterschiedlich anfallen:
Tabelle 6: Weltweit zur Verfügung stehendes Wasser:
Zugängliches Abflusswasser: 6.780 km³/Jahr
Regenwasser das auf Felder und
Nutzwälder niedergeht: 18.200 km³/Jahr
Gesamtes, für menschliche Bedürfnisse
verfügbares Wasser: 24.980 km³/Jahr
Quelle: 7, S. 9.
Aus der zur Verfügung stehenden Wassermenge von ~ 24.980 km³/Jahr[vi] lässt sich eine theoretisch mögliche Obergrenze für die Weltbevölkerung errechnen:
Tabelle 7: Mögliche Weltbevölkerung aufgrund des verfügbaren Wassers von 24.980 km³/Jahr:
Mindestbedarf pro Person bei fleischarmer Nahrung, ohne Industrie 1.100 m³/Jahr
mögliche Bevölkerung 22,7 Milliarden
Bei Verdopplung des Mindestbedarfs
(mit Industrie + besserer Ernährung) 2.200 m³/Jahr
Mögliche Bevölkerung 11,4 Milliarden
Das theoretisch verfügbare Wasser ist nicht das einzige Kriterium für eine naturverträgliche menschliche Population der Erde, die schon jetzt Grenzen überschreitet (vgl. „Wie viele Sklaven lassen Sie für sich arbeiten“ und „Ein vernichtender Fußabdruck„, beide unter „Ökologie“).
Wird das Wasser knapp?
In vielen dichtbesiedelten Regionen der Erde muss man heute schon von Wasserknappheit sprechen. Die Niederschläge sind sehr ungleichmäßig verteilt und schwanken zwischen ~ 0 mm/Jahr (Sahara) und >11,5 m/Jahr (Mount Waialeale, 1569 m, auf Hawaii).
Diese ungleiche Verteilung wird durch den Export von „virtuellem Wasser“ etwas gemildert. Denn mit jeder Tonne Getreide, aus Exportländern wie Kanada oder den USA, werden indirekt auch Tausend Tonnen virtuelles Wasser ausgeführt. Allerdings führen auch die Industrieländer mit jedem Glas (200 g) Kaffeepulver 4.000 Liter virtuelles Wasser ein (vgl. Tabelle im Kasten).
Wann wird sich die Wasserverknappung ernsthaft auswirken?
Dazu der UN-Water Development Report von 2003 (11):
„Mitte dieses Jahrhunderts werden im schlimmsten Fall 7 Milliarden Menschen in 60 Ländern und im besten Fall 2 Milliarden Menschen in 48 Ländern von Wasserknappheit betroffen sein“.
Ein Land gilt als „wasserarm“ wenn das Wasseraufkommen pro Kopf unter 1.000 m³ pro Kopf und Jahr sinkt. Von „angespannter Wasserlage“ wird bei 1.770 m³ pro Kopf und Jahr gesprochen. (9, S. 39).
Nach Tabelle 3 war der weltweite Wasserverbrauch, ohne das direkt auf die Felder regnende Wasser, im Jahr 2000 durchschnittlich 833 m³/Person + Jahr. In dieser Tabelle fällt auf, dass die Regionen mit hohen Bevölkerungsdichten (Afrika, Asien, Südamerika) vergleichsweise wenig Wasser für Industrie und Energiegewinnung verbrauchen. Das wird sich mit dem rasanten industriellen Wachstum in den Entwicklungsländern ändern; der Wasserbedarf wird schneller steigen als das Bevölkerungswachstum.
Im bevorstehenden Kampf um das Wasser hat die Industrie die größeren Mittel, wie Edward O. Wilson feststellt: „Eintausend Tonnen Süßwasser ergeben eine Tonne Weizen im Wert von ca. US$ 200,- (Stand 2002). Die selbe Wassermenge wirft in der Industrie einen Ertrag von US$ 14.000 ab!“[vii]
Die in Tabelle 7 aufgrund des verfügbaren Wassers als möglich errechnete Population von 11,4 Milliarden Menschen würde die Leistungsfähigkeit des Wasserhaushaltes der Erde in vielen Regionen weit überfordern. Meerwasserentsalzung wird bei steigenden Energiepreisen nur für wenige reiche Länder, z. B. die Golfstaaten, erschwinglich sein.
Wassermangel ist absehbar!
Wasserstreit, sogar Kriege um Wasser, und Massenauswanderungen aus Ländern mit Wassermangel sind kaum mehr zu verhindern.
Tabelle 8: Der Wasserbedarf zur Erzeugung einiger Nahrungsmittel:
Nahrungsmittel Wasserbedarf in Liter:
1 kg Kaffeepulver 20.000
1 kg Rindfleisch 15.000
1 kg Lammfleisch 10.000
1 kg Geflügel 8.000
1 kg Käse 5.000
1 kg Zucker 3.000
1 kg Reis 2.000 – 5.000
1 kg Palmöl 2.000
1 kg Weizen 1.000 – 1.500
1 kg Zitrusfrüchte 1.000
1 kg Hülsenfrüchte 1.000
1 kg Brot 1.000
1 kg Kartoffeln 500
1 Liter Milch 2.000 – 4.000
1 Liter Orangensaft 1.000
1 Liter Bier 500
1 Tasse Kaffe 140
1 Ei 1.000
Quellen: 4, S. 440; 5, S. 17 f.; 9, S. 203.
Tabelle 9: Das Wasser unseres blauen Planeten:
Gesamter Wasservorrat der Erde: 1,38 Milliarden km³
Davon Süßwasser 35,88 Millionen km³ (2,6 %)
Auf einer glatten Erdkugel würde Wasser das Land gleichmäßig mit 2,7 km Höhe bedecken. Das Süßwasser alleine könnte die Erde mit 70 m Wassertiefe bedecken.
Quellen: 1, S. 27; 9, S. 54 f.
1 km³ = 1 Milliarde (109) m³ = 1 Billion (1012) Liter
1 m³ = 1.000 Liter
Literatur:
(1) Barandat Jörg, Wasser – Konfrontation oder Kooperation, Nomos, Baden-Baden, 1997.
(2) Global 2000 Der Bericht an den Präsidenten, Zweitausendeins, Frankfurt, 1981.
(3) Heinrich Dieter/Herget Manfred, dtv-Atlas zur Ökologie, dtv, München, 1990.
(4) Kürschner-Polkmann Frank, Das Wasser-Buch, Lembeck, Frankfurt a. M.; 2007.
(5) Pearce Fred, Wenn die Flüsse versiegen, Antje Kunstmann, München, 2007.
(6) Polkehn Klaus, Krieg um Wasser?, Morgenbuch, Berlin, 1992.
(7) Rogers Peter P., Water Crisis, Taylor & Francis, London, 2006.
(8) Shiva Vandana, Der Kampf um das blaue Gold, Rotpunkt, 2007.
(9) Villiers Marq de, Wasser, Econ, München, 2000.
(10) Water for People – Water for Life, The United Nations World Water Report, UNESCO-WWAP, 2003.
(11) http://www.aktiongrundwasserschutz.de/informationen /weltweit/index.htm.
(12) http://www.bmu.de/gewaesserschutz/fb/trinkwasser_wasserwerk/doc/3260.php.
(13) http.//www.uni-leipzig.de/~grw/lit/texte_100/130_2006/WaEiEin552006.pdf.
(14) http.//www.wasseraufbereitungsseiten.de/wasserkompendium.htm.
(15) http://www.wasserkarawane.de/pdf_dokumente/Wasser%20weltweit.pdf.
(16) http://www.wikipedia.org/wiki/wasserverbrauch.
Endnoten:
[i] Inzwischen gibt es aussichtsreiche Verfahren zur Erzeugung von Flüssigkraftstoffen aus Holz oder in Zukunft sogar aus Algen. Es besteht Hoffnung, dass sich die Erdölkrise abfangen lässt. Allerdings nicht sofort und nicht zum Nulltarif.
[ii] Weltweit gibt es über 300 Flusssysteme, die mehrere Länder tangieren.
[iii] Die in „Global 2000″ für 1977 genannte Weltbevölkerung von 3,67 Milliarden scheint zu gering. Aus heutiger Sicht sind über 4 Milliarden zutreffender.
[iv] http://www.mi.uni-hamburg.de/fileadmin/files/static_html/Globale_Umweltveraenderungen/Jacques/wasser.html.
[v] Solche Spitzenerträge verlangen Hochleistungs-Getreidesorten, die wiederum reichlich Wasser und künstliche Düngung benötigen. Für arme Bauern in unterentwickelten Ländern oft unbezahlbar!
[vi] Diese Wassermenge dürfte an der oberen Grenze liegen. Eine andere Quelle (vgl. Fußnote 4) gibt als direkt verfügbare Wassermenge nur 9.000 km³ an. Die Maximal-Bevölkerung der Erde läge dann bei bescheidenem Lebensstandard bei 8 Milliarden; mit Industrie bei gehobenen Ansprüchen nur bei 4 Milliarden!
[vii] Edward O. Wilson, „Die Zukunft des Lebens“, Goldmann, München, 2004, S. 62.