(Veröffentlicht in GralsWelt 44/2007)
Von James Lovelock
Warum die Erde sich wehrt
List-Verlag, 2006
James Lovelock (geb. 26. 7. 1919) ist als Chemiker, Mediziner und Biophysiker einer der profiliertesten Vertreter der Umweltbewegung. Als Chemiker entwickelte Lovelock den Elektroneneinfangdetektor (ECD) mit dem sich chlorierte Umweltgifte empfindlich nachweisen lassen.
Anfang der 1970er Jahre formulierte er zusammen mit Lynn Margulis (geb. 1938) die „Gaia-Hypothese“. Diese postuliert, „dass das Leben auf der Erde aktiv die Oberflächenverhältnisse immer so regelt, dass sie für das sie gerade bewohnende Ensemble von Organismen günstig sind. Anfangs lief diese Vorstellung der Schulweisheit zuwider, dass das Leben sich an die planetaren Verhältnisse angepasst hätte und beide sich getrennt entwickelt hätten. Wir wissen heute, dass sowohl die ursprüngliche Gaia-Hypothese als auch jene Schulweisheit falsch waren. Die Hypothese entwickelte sich zur heutigen Gaia-Theorie weiter und die Schulweisheit zur Geosystemwissenschaft.“ (S. 234).
Im seinem jüngsten Buches „Gaias Rache“ bespricht Lovelock nüchtern die Gefahren der globalen Erwärmung, die zu zivilisationsgefährdenden Katastrophen führen wird, sofern wir nicht umgehend und entschieden mit Taten gegensteuern.
Die Probleme der Klimaerwärmung sind demnach von uns Menschen heraufbeschworen worden. Durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe wird die Atmosphäre mit zu viel Treibhausgasen wie Kohlendioxid (CO2) belastet, es entsteht der „Treibhauseffekt“. Zudem werden die Ökosysteme der Erde übernutzt, so dass für Gaia immer weniger Raum bleibt, um ausgleichend die für Leben günstigen Bedingungen aufrecht zu erhalten:
„Wir bebauen bereits mehr Land, als die Erde sich leisten kann, und wenn wir versuchen, die gesamte Erde zu nutzen, um unsere Menschen zu ernähren, dann gleichen wir, selbst wenn das mit organischen Methoden geschieht, Segelschiffern, die das Holz und die Takelung ihrer Boote verheizen, um es warm zu haben. Die natürlichen Ökosysteme der Erde sind nicht dazu da, uns als Anbaufläche zu dienen; sie sind dazu da, um das Klima und die Chemie des Planeten zu erhalten.“ (S. 25).
Im allgemeinen ist kaum bekannt, dass die Sonne langsam heißer wird und heute etwa 25 Prozent mehr Energie abstrahlt als vor Milliarden von Jahren. Ohne Gaias ausgleichendes Wirken wäre unser Planet längst unbewohnbar:
„Die meisten Lehrbücher und populärwissenschaftlichen Fernsehsendungen wollen uns weismachen, dass die Erde zufällig im genau richtigen Abstand von der Sonne geboren wurde, weshalb die Verhältnisse auf der Erde für das Leben gerade richtig sind. Diese Prä-Gaia-Behauptung ist falsch, denn nur für einen kurzen Zeitraum der Erdgeschichte war die Sonnenwärme für das Leben ideal, und das war vor rund zwei Milliarden Jahren. Davor war es zu kalt, und anschließend ist es nach und nach immer heißer geworden.“ (S. 71).
Es folgt eine interessante Analyse der Energie- und Rohstoffquellen. Hier wendet sich der „grüne“ Wissenschaftler Lovelock gegen ein ideologieverzerrtes Weltbild der grünen Bewegung und plädiert für den Ausbau der Kernenergie. Diese sei zur Zeit die einzige Energiequelle, die kein Kohlendioxid produziert und schnell genug zur Verfügung steht.
Auf längere Sicht sind weitere, teils noch utopisch klingende Maßnahmen erforderlich, um den Hitzekollaps unseres Planeten zu vermeiden, dem Tod von Milliarden Menschen vorzubeugen, und den Untergang der menschlichen Zivilisation abzuwenden.
„Gaias Rache“ ist meines Erachtens das wichtigste Buch des Jahrzehnts. Es ist leicht und gut zu lesen und bringt die wichtigsten ökologischen Fakten. Jeder Mensch unseres Planeten sollte mit den Aussagen dieses Werkes vertraut sein. Denn nur wenn wir alle die drohenden Katastrophen erkennen und bereit sind, unser persönliches Leben zu ändern, besteht auch die Hoffnung, dass Politiker noch rechtzeitig handeln. Die Medien, die diese Fakten weltweit bekannt machen müssen, haben eine große, sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Wir werden lernen müssen, dass das Wohlergehen Gaias, die Gesundheit des Gesamtsystems, Vorrang haben muss vor allen menschlichen Wünschen. Denn wenn Gaia weiter unter uns leiden muss, wird die Erde bald kein menschenfreundlicher Planet mehr sein.
Die Zeit drängt, denn „jetzt kommen von Beobachtern auf der ganzen Welt Hinweise, die von einem unmittelbar bevorstehenden Umkippen unseres Klimas in eines künden, das man schlicht und einfach als Hölle beschreiben kann: so heiß, so tödlich, dass nur eine Hand voll der heutigen Milliarden überleben wird. Wir haben auf dem Planeten ein entsetzliches Durcheinander angerichtet, und das in der Hauptsache mit uneingeschränkt liberalen, guten Absichten. Selbst jetzt, wo die Glocke schon unsere letzte Stunde einläutet, reden wir noch von nachhaltiger Entwicklung und erneuerbaren Energien, als wären diese kläglichen Angebote ausreichende und angemessene Opfer, die Gaia akzeptieren würde. Wir verhalten uns wie rücksichtslose und gedankenlose Familienmitglieder, die alles kaputt machen, aber zu glauben scheinen, es würde reichen, sich zu entschuldigen. Wir sind Gaias Familienmitglieder und als solche willkommen, aber wenn wir nicht aufhören, uns so zu verhalten, als ginge es einzig und allein nur um das menschliche Wohlergehen und als wäre dieses die Entschuldigung für unser Fehlverhalten, ist alles Gerede von irgendeiner Weiterentwicklung nicht akzeptabel.“ (S. 211).
Damit stellt sich die Frage, was schnellstens getan werden muss: „Was sollte eine vernünftige europäische Regierung jetzt also tun? Ich glaube, wir haben kaum eine andere Wahl, als uns auf das Schlimmste vorzubereiten und davon auszugehen, dass wir die Schwelle bereits überschritten haben. Wie Notfallmediziner müssen unsere Regierenden es als ihre Hauptaufgabe betrachten, zunächst den Patienten – die Zivilisation – am Leben zu erhalten, während wir uns auf die Reise in eine Welt machen, die sich zumindest nicht mehr rapide verändert. Wir gehen grenzenloser Hitze entgegen, und wir werden die Folgen binnen weniger Jahrzehnte zu spüren bekommen. Wir sollten uns jetzt auf einen Anstieg des Meeresspiegels vorbereiten, auf fast unerträgliche Hitze wie in Mitteleuropa im Sommer 2003 und auf Stürme von zuvor nicht gekannter Stärke. Wir sollten auch mit Überraschungen rechnen, mit tödlichen lokalen oder regionalen Ereignissen, die völlig unvorhergesehen sind.“ (S. 219)