Jeffrey Sachs, ein geläuterter Privatisierer?
(Veröffentlich in GralsWelt 40/2006)
Jeffrey D. Sachs „Das Ende der Armut“, Siedler München, 2005.
Jeffrey D. Sachs ist einer der weltweit bekanntesten Wirtschaftswissenschaftler. Seine Karriere ist außergewöhnlich. Bereits mit 28 Jahren war er einer der jüngsten Harward-Professoren. Dann beriet er Regierungen mehrerer Staaten, und Kofi Anam, der Uno-Generalsekretär, ernannte ihn vor fünf Jahren zu seinem persönlichen Berater. Gegenwärtig lehrt Jefrey D.Sachs an der Columbia Universität in New York.
In postkommunistischen Staaten machte er sich unbeliebt, weil er in den 90er Jahren einen radikalen marktliberalen Kurs empfahl. Dieser Kurs führte Russland in ein ökonomisches Chaos, aus dem bis heute niemand einen Ausweg gefunden hat. Professor Sachs betont im Rückblick, dass man ihn deswegen zu Unrecht beschuldige. (S. 182).
Sein Amt im Auftrag der UNO und der damit verbundene Einblick hat seine Ideologie geändert, aus einem fundamentalen Propagandisten der freien Marktwirtschaft ist ein Anwalt der Dritten Welt geworden.
Rechtzeitig zum UNO-Milleniumsgipfel im September 2005 legte er ein Buch vor:
„Das Ende der Armut“.
Diese sehr lesenswerte Arbeit beginnt mit Analysen der derzeitigen Weltlage und einem kurzen geschichtlichen Rückblick. Dann beschreibt Sachs aus eigener Erfahrung die besondere Situation beispielhaft ausgewählter Länder und deren Ansätze zur Armutsbekämpfung. Natürlich kennt er bestens auch die Schwächen mancher Institutionen, wie z.B. der Weltbank und dem Weltwährungsfonds.
Als grundsätzlicher Globalisierungsbefürworter hofft er auf überall steigenden Wohlstand mittels offener Märkte und freiem Geld- und Warenverkehr. Jedoch fordert er eine „aufgeklärte Globalisierung“, in der alle – besonders die Großkonzerne – die Spielregeln der Marktwirtschaft und die Grundsätze verantwortungsvoller Unternehmensführung auch befolgen. Zu dieser aufgeklärten Globalisierung können nach Sachs insbesonders auch Globalisierungskritiker ihren Beitrag leisten, indem sie international agierende Unternehmen scharf beobachten und unlauteres Geschäftsgebaren ins öffentliche Bewusstsein rücken. Im Gegensatz zu der „Selbstgefälligkeit der Reichen“ gesteht er den Globalisierungsgegnern, die einiges bewirkt haben, „richtige ethische Überzeugungen“ zu, auch wenn „ihre Diagnose der Probleme falsch ist“. Dazu erläutert Sachs, auch im Hinblick auf den oft missverstandenen „Vater der freien Marktwirtschaft“ Adam Smith:
„Aber die heftige Kritik an internationalen Konzernen und dem Freihandel geht auf eine reflexartige Ablehnung des Kapitalismus zurück, die Ausdruck eines tiefgreifenden Missverständnisses ist. Zu viele Demonstranten wissen nicht, dass Adam Smith ihre moralische Entrüstung und ihre konkreten moralischen Forderungen teilte und dass auch manche Freihandelsanhänger staatliche Maßnahmen zur Existenzsicherung der Armen und zum Schutz der Umwelt für notwendig erachten. Zu viele Demonstranten wissen nicht, dass man den Glauben an die Macht des Handels und der Märkte durchaus mit der Einsicht in die Grenzen ihrer Wirksamkeit verbinden kann. Die Globalisierungsgegner schätzen die Möglichkeiten eines Kapitalismus mit menschlichem Antlitz zu pessimistisch ein; aber dieser ermöglicht einerseits die bemerkenswerten Vorzüge weltweiten Handels und grenzüberschreitender Investitionen zu nutzen und andererseits deren Grenzen und Mängel durch geeignetes kollektives Handeln auszugleichen“ (S. 430/431).
„Die 450 Milliarden Dollar, die die US-Regierung 2005 für das Militär ausgeben will, werden niemals den Frieden erkaufen können, wenn sie auch weiterhin nur etwa ein Dreißigstel dieser Summe, nicht mehr als 15 Milliarden, dafür aufwendet, das Elend der Ärmsten der Armen zu lindern.“ Jeffrey D. Sachs
In seinem Buch gibt Jeffrey D. Sachs zuletzt noch praktische Handlungsanleitungen zur Armutsbekämpfung. Damit will er helfen, das ehrgeizige Ziel der UNO zu erreichen, die Armut in der Welt bis 2015 zu halbieren.
Die Bedeutung der Bevölkerungsexplosion als Wachstumsbremse scheint er m. E. zu unterschätzen. Wie andere Ökonomen hofft auch Sachs, dass dieses Problem mit steigendem Wohlstand und besonders besseren Ausbildungs- und Berufs-Chancen für Frauen sich von selbst erledigen wird.