(Veröffentlicht in GralsWelt 13/1999)
Der Buddhismus ist derzeit in unseren Breiten so etwas wie eine „Mode-Religion“. Viele Europäer fühlen sich von den uralten Lehren dieser Weltreligion angezogen; sie wenden sich vom Christentum enttäuscht ab und suchen Erleuchtung in der Weisheit Asiens, in unsterblichen Lehren aus uralter Zeit. Ostasien ist ohne den Buddhismus in seinem stillen, oft unauffälligen und meist friedlichem Wirken überhaupt nicht vorstellbar. Dort, wie in vielen anderen Ländern über Asien hinaus, haben die Lehren des Buddha unverwischbare Spuren hinterlassen. Doch über das Leben des „Erleuchteten“ ist kaum etwas wirklich Zuverlässiges bekannt. Es ranken sich um ihn – wie um alle Großen der Antike – viele Legenden, so dass sich Fama und historische Wahrheit kaum mehr trennen lassen. Hier wird nach verschiedenen Quellen zum Leben Buddhas geschildert, was als historisch wahrscheinlich gelten kann.
„Dass Jesus aufrecht am Kreuz starb, während Buddha liegend verschied – symbolisiert das nicht den fundamentalen Unterschied in mehr als einer Hinsicht zwischen Buddhismus und Christentum? ‚Aufrecht‘ bedeutet Aktivität, Streitbarkeit, Ausschließlichkeit, indes ‚waagerecht‘ Frieden, Duldsamkeit und Weitherzigkeit meint.“
Der japanische buddhistische Gelehrte Daisetz Teitaro Suzuki (1870 – 1966).
Alten Überlieferungen zufolge wurde etwa 566 v. Chr. dem Landadeligen Suddhodana und seiner Frau, der Prinzessin Maya, in Kapilavastu im heutigen Terai (Nepal) ein Sohn geboren. Dieser erhielt den Namen Siddharta („Der das Ziel erreicht hat“), aber er wurde meist Gautama oder Sakyamuni gerufen, denn er gehörte dem Geschlecht der Sakya aus der Familie Gautama an.
Dieser Fürstensohn wuchs in Luxus auf. Er hatte eine unbeschwerte Jugend und heiratete schon mit 16 Jahren die Prinzessin Yosodara, die ihm einen Sohn schenkte, der Rahula genannt wurde. Doch dieses Luxusleben befriedigte Siddharta nicht. Gegen den ausdrücklichen Befehl seines Vater verlässt er im Alter von 29 Jahren zum ersten Mal den Palast und besteigt einen Wagen, um mehr von der Welt zu sehen. Hier begegnet er dem ihm bislang fremden menschlichen Leid: einem Greis, einem Kranken und einem Toten. Schließlich trifft er noch einen Bettelmönch, der auf der Suche nach Unsterblichkeit ist.
Siddharta kehrt zwar in den väterlichen Palast zurück, doch das Elend der Welt hat ihn so erschüttert, dass er bald darauf des Nachts Weib und Kind für immer verlässt. Der indischen Tradition entsprechend, lässt er seinen Kopf kahl scheren, legt eine safranfarbene Toga an und wird ein Bettelmönch.
Sechs Jahre lang sucht er Antworten auf seine Fragen durch Meditation und Askese. Zuerst studiert er bei Joga-Lehrern im Königreich Maghda, dessen König Bimbisara später einer seiner Förderer wird. Dann will er in Gemeinschaft mit fünf anderen Asketen sein Fleisch abtöten und darbt bis an den Rand des Hungertodes. Vergebens. Zum Entsetzen seiner Gefährten beendet er 532 v. Chr. die strenge Askese, kräftigt seinen Körper durch gute Nahrung und Bäder. Schließlich meditiert er unter einem Feigenbaum (dem berühmten Bodhi-Baum, dem Baum der Erleuchtung) und gelobt, dort so lange in Meditation zu verharren, bis ihm Erkenntnis geschenkt wird. In einer Vision bedrängen ihn die Heere des bösen Mara mit Sturm und Gewitter und drohen mit Felsen und flammenden Schwertern. Mara selbst („Der, der tötet“, also der Teufel) erscheint und bietet ihm alle Reichtümer der Welt. Doch Siddharta bleibt ungerührt und vertieft sich weiter, bis er am 49. Tag erleuchtet und damit zum Buddha wird.
Die Predigt von Benares
Nach den Überlieferungen begann das Wirken Buddhas mit einer Ansprache an fünf Asketen im Tierpark Isipatana (heute Sarnath) bei Benares. Diese „Predigt von Benares“ wird in der buddhistischen Tradition als das „In-Bewegung-Setzen des Rades des Gesetzes“ bezeichnet. Sie enthält Grundgedanken der Lehre des Buddha.
„Zwei Enden gibt es, ihr Mönche, denen muss, wer dem Weltleben entsagt hat, fernbleiben. Welche sind das?
Hier das Leben in Lüsten, der Lust und dem Genuss ergeben: das ist niedrig, gemein, ungeistlich, unedel, nicht zum Ziele führend.
Dort Übung der Selbstquälerei: die ist leidensreich, unedel, nicht zum Ziele führend.
Von diesen beiden Enden, ihr Mönche, sich fernhaltend, hat der Vollendete den Weg, der in der Mitte liegt, entdeckt, der Blick schafft und Erkenntnis schafft, der zum Frieden, zum Erkennen, zur Erleuchtung, zum Nirwana führt…
Dies, ihr Mönche, ist die edle Wahrheit vom Leiden. Geburt ist Leiden, Alter ist Leiden, Krankheit ist Leiden, mit Unliebem vereint sein ist Leiden, von Liebem getrennt sein ist Leiden, nicht erlangen, was man begehrt, ist Leiden, kurz: die fünferlei Objekte des Ergreifens sind Leiden.
Dies, ihr Mönche, ist die edle Wahrheit von der Entstehung des Leidens: Es ist der Durst, der zur Wiedergeburt führt, samt Freude und Begier, hier und dort seine Freude findend: der Lüstedurst, der Werdedurst, der Vergänglichkeitsdurst.
Dies, ihr Mönche, ist die edle Wahrheit von der Aufhebung des Leidens: die Aufhebung dieses Durstes durch restlose Vernichtung des Begehrens, ihn fahren lassen, sich seiner entäußern, sich von ihm lösen, keine Stätte gewähren.
Dies, ihr Mönche, ist die edle Wahrheit vom Wege zur Aufhebung des Leidens: Es ist dies der edle achtfältige Pfad, der da heißt: rechtes Glauben, rechtes Entschließen, rechtes Wort, rechte Tat, rechtes Leben, rechtes Streben, rechtes Gedenken, rechtes Sichversenken…
Und so lange ich, ihr Mönche, nicht von diesen vier edlen Wahrheiten wahrhafte Erkenntnis und Schauen in voller Klarheit besaß, solange, ihr Mönche, hatte ich auch nicht das Bewusstsein, in der Welt Brahmas die höchste Erleuchtung gewonnen zu haben.
Seit ich aber, ihr Mönche, von diesen vier edlen Wahrheiten wahrhafte Erkenntnis und Schauen in voller Klarheit besaß, von da an, ihr Mönche, war ich mir dessen bewusst, in der Welt der Götter und Menschen die höchste Erleuchtung gewonnen zu haben.
Und Erkenntnis ging mir auf, und Schauen ging mir auf: unverlierbare Erlösung des Geistes ist mein; diese ist die letzte Geburt; nicht gibt es hinfort Wiedergeburt.“
Aus Hermann Oldenburg: „Reden des Buddha“, Kurt Wolff, München, 1922
Die Erleuchtung bringt ihm drei Erkenntnisse:
* Erinnerungen an frühere Existenzen.
* Das Wissen um Geburt und Tod.
* Die Gewissheit, dass er Unwissenheit und Leidenschaft, die ihn bis dahin an die Welt des Werdens und Vergehens gebunden und zu immer neuen Wiedergeburten gezwungen haben, endgültig überwunden hat.
Zur Erkenntnis gekommen und voller Mitleid entwickelt der Buddha nun in wochenlangen Meditationen (je nach Quelle 4 oder 7 Wochen) seine Lehre, die Tore zur Unsterblichkeit öffnen, dem Leiden ein Ende setzten und Ruhe schenken soll.
Dann geht er zurück nach Benares und hält dort im Gazellenpark seine erste Predigt vor den fünf Mönchen, die als Asketen seine Gefährten waren. Diese „Predigt von Benares“ gilt als der Beginn einer 45jährigen Lehrtätigkeit (von 531 bis 486 v. Chr.). Er zog durch große Teile Nordindiens, gründete Mönchsorden und Nonnenklöster und fand Förderung bei reichen Gönnern. Schließlich starb der Buddha 80jährig, erschöpft und ausgezehrt vom Alter, im Walde Upavasta bei Kusinagari im Lande der Mallas. –
Die Lehren des Buddha
Seine wichtigsten Erkenntnisse hat Buddha in der „Predigt von Benares“ (siehe Kasten) dargelegt, die auch den achtteiligen Pfad weist, der zur Erlösung führt.
Buddha lebte im Glauben an Wiedergeburt und Karma, überzeugt, dass jeder Mensch bei Nicht-Erfüllung seines Lebens nach seinem Tode wieder zur Erde zurück müsse, und zwar in die Umgebung (in Indien wohl auch die Kaste) gedrängt, die seiner Geistesart entspricht. Die Kasten als starre Schranken lehnte Buddha zwar ab, aber er war auch nicht der kämpferische Sozialreformer, den Indien gebraucht hätte, um die einengenden Kasten zu überwinden. Denn für Buddha war der beste Weg zur Erleuchtung der Eintritt in einen Orden, der die Kastengrenzen aufhob.
Der Buddhismus ist also eine weltabgewandte Lehre, in der das Mönchstum eine wichtige Rolle spielt. Ein buddhistischer Mönch sollte arm sein, er darf niemand ein Leid zufügen und muss unverheiratet bleiben (es gibt allerdings einige Gruppen, die Mönchen und Nonnen die Ehe gestatten). Ursprünglich sollten die Mönche von Spenden leben, was sich nicht immer und überall durchhalten ließ. In der Regel waren und sind sie Pazifisten, doch gab es Ausnahmen im mittelalterlichen Japan, bei den chinesischen Mönchs-Helden der Ming-Zeit (1368 – 1644), bei den legendären Kung-Fu-Kämpfern des Shao-lin Klosters und anderen.
Die Heiligen Schriften
Der von allen Buddhisten anerkannte Kanon besteht aus „drei (mit Texten gefüllten) Körben“, dem tripitaka. Der Kanon beansprucht, „Worte des Buddha“ zu überliefern, ist aber von Mönchen aufgrund mündlicher Überlieferungen zusammengestellt, vermutlich erst Jahrhunderte nach Buddhas Tod.
Als Ganzes wurde der Kanon erstmals in Sri Lanka im 1. Jahrhundert v. Chr. schriftlich niedergelegt; dies ist die Pali-Version, welche Theravada-Mönche gehütet haben. Im Theravada-Buddhismus ist Pali die rituelle Sprache, wie bei indischen Buddhisten das Sanskrit oder in der römisch-katholischen Kirche das Lateinische.
Eine Sanskrit-Version ist unter der Schirmherrschaft des Königs Kaniska während eines Konzils in Kaschmir entstanden, vermutlich im 2. nachchristlichen Jahrhundert.
Im zweiten Jahrhundert nach Christus wurden auch einige Mahayana-Texte ins Chinesische übersetzt, und von 7. oder 8. Jahrhundert an folgten Übersetzungen ins Tibetische. Diese tibetischen Übersetzungen sind heute von besonderer Bedeutung, weil viele ältere Originale verloren gingen. Insbesondere während der muslimischen Invasion in Indien wurden zwischen dem 8. und 13. Jahrhundert buddhistische Mönche vertrieben und ihre Bibliotheken verbrannt. Um Sanskrit-Originale zu rekonstruieren, greift man daher besonders auf tibetische Übersetzungen zurück.
Nicht immer gleich ersichtlich, ist der Buddhismus eine Lehre der strengsten Forderungen, die an einen Menschen gestellt werden. Jede Einseitigkeit, die äußeren Halt geben könnte, wird verworfen, dem Menschen wird eine Moral auferlegt, der nur wenige gerecht werden können. Es gibt keine Götzen, die man durch Opfer versöhnen könnte. Kein Priester darf für Geld und gute Worte Sünden vergeben oder den Weg der Seele im Jenseits erleichtern. Jeder einzelne steht für sich alleine, nur gestützt auf seine schwache Kraft und umgeben von unzähligen irdischen und geistigen Gefahren. Denn Buddha forderte die Erlösung durch eigenes Bemühen und lehrte einen Weg, den außer ihm vielleicht nur wenige zu gehen vermochten.
Fast selbstverständlich, dass christliche Kirchen diese „Selbsterlösung“ verwerfen und dafür den bequemen Weg der Erlösung durch den Glauben an Jesus Christus und die Sakramente der Kirche anbieten. Aber es wird keinem Menschen erspart bleiben, sich von schuldhaften Verstrickungen zu lösen, um aufsteigen zu können in das ewige Reich, in dem allein der Schöpferwille regiert. Man geht kaum fehl, wenn man dieses Paradies der Christen mit dem Nirwana der Buddhisten gleichsetzt und vermutet, dass Buddha seinen Hörern das gleich Ziel wies wie Jesus. –
Kleines Glossar des Buddhismus
BODHISATTWA: Ein Wesen, dessen Ziel die Erleuchtung ist. Bei manchen Gruppierungen muss der Bodhisattwa ein Gelübde auf sich nehmen, erst dann ins Nirwana einzugehen, wenn alle Wesen erlöst sind. Auch Buddha war vor seiner Erleuchtung ein Bodhisattwa.
BUDDHA: Ein Buddha ist ein Erleuchteter, der den Weg zur Erlösung (dem Nirwana) erkannt hat und nicht wiedergeboren werden muss.
BUDDHISMUS: Buddhismus, Buddhist sind abendländische Begriffe, die Buddha vermutlich abgelehnt hätte. Er sprach von seinen Jüngern als Übenden. Als Buddhist kann jeder gelten, der für seine Erlösung zu den „drei Juwelen“ (Buddha, Dharma und Sangha) Zuflucht nimmt.
DHARMA: Ein vielschichtiger Begriff, der sich mit „Lehre“ oder „Wahrheit“ übersetzen lässt.
HINAJANA: „Kleines Fahrzeug“, „geringere Laufbahn“. Abwertend gebraucht als Bezeichnung für die Frühformen des Buddhismus, von denen heute nur noch Theravada existiert.
LAMA: „Lenker“, „Lehrer“. Im tibetanischen Buddhismus ein voll geweihter Geistlicher.
LAMAISMUS: Tibetanischer Buddhismus. In Tibet entstand aus einer Spätform des indischen Buddhismus, die auch Elemente der vorbuddhistischen Bon-Religion aufgenommen hat, eine spezielle Form des Mahajana. Bis zur chinesischen Invasion (1950) war Tibet ein theokratisch-lamaistischer Staat unter Führung des Dalai-Lama (= Ozean des Wissens). Vgl. „Kurz, knapp, kurios“ Seite 473 „Den Geheimnissen des Orients auf der Spur“.
MAHAJANA: Auch „bodhisattwajana“, „großes Fahrzeug“, „große Laufbahn“. Eine etwa zu Beginn der christlichen Zeitrechnung entstandene Form des Buddhismus, der zufolge jeder, gleichviel ob er in einer Höhle, einem Kloster oder in einem Haus lebt, Erleuchtung erlangen kann. Es wird nicht die strikte Disziplin des Theravada verlangt, sondern, dass man an Buddha glaube und allen Lebewesen gegenüber Mitgefühl habe. Der Mahajana-Buddhismus verehrt zahlreiche Boddhisatwas, die Erleuchtung erlangt haben, aber einstweilen auf die Buddhaschaft verzichten, bis allen Menschen, die sich an sie wenden, das Heil zuteil geworden ist. Das Ideal des Buddha, der seine Mitmenschen zum Heil führt, ist im Mahajana für jeden Gläubigen verpflichtendes Vorbild. Zum Mahajana gehören viele Gruppierungen wie der tibetanische und der Zen Buddhismus. Das Verbreitungsgebiet ist Ostasien (China, Korea, Japan, Mandschurei, Mongolei, Tibet).
NIRWANA: „Das Erlöschen“. Im Buddhismus das Erlöschen des Ich-Wahns und der Lebensgier; nicht unbedingt das Nichts. Das Nirwana ist das Ende der Leiden und die Loslösung aus dem Geburtenkreislauf (Samsara). Im Mahajana gilt das Nirwana als Zustand des Heiligen, der für immer von allen Trieben und dem Karma befreit, mit Güte und Weisheit zum Wohle aller Wesen tätig ist.
SAMSARA („beständiges Wandern“): Der Kreislauf von Geburt – Tod – Wiedergeburt, der als leidvoll angesehen wird. Das Zielt des Buddhisten ist, aus diesem Kreislauf herauszukommen und ins Nirwana einzugehen.
SANGHA: So viel wie „Gemeinschaft“. Im weiteren Sinne alle, die der Lehre des Buddha (dem Dharma) entsprechend leben (Mönche, Nonnen, männliche und weibliche Laienanhänger). Im engeren Sinne nur die Mitglieder der Orden.
THERAVADA: „Lehrmeinung der Ordensältesten“. Der Theravada vertritt einen strengen Buddhismus, der sich an die ursprünglichen Lehren Buddhas anlehnen will. Diese kompromisslose Haltung lässt wenig Raum für die von anderen Schulen des Buddhismus entwickelte Vorstellung, dass auch Laien Erleuchtung finden können, oder dass Erleuchtung ohne die Einhaltung der Regeln der Ordensdisziplin zu erlangen sei. Als höchstes Ideal gilt ein Mönch, der durch peinlich genaue Befolgung des von Buddha festgelegten Weges für sich selbst Erleuchtung erlangt. Verbreitet in Burma, Kambodscha, Laos, Sri Lanka, Thailand, Vietnam.
ZEN (chlan): Ein Meditations-Buddhismus, nach dessen Lehre die Erleuchtung unvermittelt, also gleichsam urplötzlich erlebt wird. Stammt ursprünglich aus Indien, wurde in China weiterentwickelt und kam ab den 7. Jahrhundert nach Japan.